Home » Wiggi über Charakter und Phantomfett [Gastbeitrag]

Wiggi über Charakter und Phantomfett [Gastbeitrag]

Ob sich der Charakter eines Menschen durch einen großen Gewichtsverlust verändert? Warst du immer schon so? Eine Frage die mir wohl am Öftesten gestellt wird und die ich nicht so einfach mit „ja“ oder „nein“ beantworten kann und möchte.



[Anzeige powered by Google]

Körperliche Veränderungen wandeln den Charakter

Ich hatte mit 135kg den gleichen pechschwarzen Humor wie heute, bin in gewissen Situationen schwer vom Gegenteil zu überzeugen und besitze immer noch die Fähigkeit mich gewissen Dingen mit Leidenschaft hinzugeben. Auch meine Selbstreflexion war damals schon in einem guten Maß vorhanden, nur ein bisschen ehrlicher bin ich zu mir selbst geworden. Ich wusste auch damals schon, was gesundes Essen ist. Meist halt das Gegenteil von dem, was ich überwiegend konsumierte.

Die Kluft zwischen “so sehe ich aus” und “so möchte ich aussehen” ging immer weiter auseinander. Genau so etwas drängt einen dann regelmäßig in ein einsames Eck. Viele Aktivitäten im Freundeskreis muss man streichen, da man daran aufgrund der Körperfülle einfach nicht teilnehmen kann. Oder das Gefühl, dass einen die ganze Umgebung ständig beobachtet. Vor allem wenn man im Sommer spärlich bekleidet und schwitzend durch die Fußgängerzone spaziert. Schließlich ist man mit Adipositas Grad 3 meistens der oder die Dickste weit und breit.

Hartwig Ortner 135kg

Wiggi über die Sache mit dem Phantomfett

Einige von euch werden den Begriff Phantomschmerz kennen. Bei Menschen mit amputierten Gliedmaßen gibt es das Phänomen, dass sie Schmerzen in genau dem Bereich haben, der ihnen bereits fehlt. Und so verhält es sich, wenn ich mich selbst im Spiegel sehe. Trotz einem BMI im Normalbereich und einem Umfeld, dass mich als schlank sieht und mir genau diese Rückmeldung gibt, empfinde ich mich selbst oft als zu dick.

Mein Gehirn vermittelt mir also aus Gewohnheit, dass ich nach wie vor unzufrieden und weit weg von Idealmaßen bin. Die innere Wahrnehmung und die körperliche Realitäten entwickeln sich nicht im gleichen Takt. Deshalb hinkt die unbewusste Körperwahrnehmung hinterher und fordert ein bewusstes und konsequentes Handeln ein.

Hartwig Ortner Körpergefühl

Anfänglich nie, mittlerweile regelmäßig und an guten Tagen öfters – erwische ich mich dabei, die Welt aus den Augen eines Schlanken zu sehen. Diese Momente stärken das Selbstbewusstsein und lassen einem viele Situationen offener bewältigen. Die Teilnahme an Gruppenaktivitäten ist kein Problem mehr, und was andere über mich denken? Solange ich mit mir selbst zufrieden bin mache ich mir darüber keine Gedanken und fühle mich im Alltag nicht beobachtet. Eine gewisse Lockerheit, die ich aus früheren Zeiten nicht kenne und jetzt umso mehr genießen kann. Mein Körper ist wieder meiner und vor allem der, den ich so akzeptiere.

Wenn ich also meinen engsten Freundeskreis die Frage retour stelle, ob ich mich denn charakterlich verändert habe, kommt die Antwort: „Nein, du hast immer noch deinen dreckigen Humor, bist wenn es ernst wird verlässlich, kannst aber offener auf Mitmenschen zugehen und strahlst eine Selbstzufriedenheit aus!“ Und das ist wohl genau der Punkt, wenn so mancher im Umfeld des/der Betroffenen meint, er oder sie habe sich auch persönlich verändert.

Hartwig Ortner Portrait

Mehr Infos zu Hartwig Ortner alias Wiggi gibt es auch im Interview mit unserem Gastautor.




[Anzeige powered by Google]

Schreibe einen Kommentar