Norbert Lüftenegger’s Passion ist der Ultratriathlon. Scheint für viele schon die Ironman Distanz (3,8km Swim – 180km Bike – 42,2km Run) als unglaublich lange, absolviert ein Ultratriathlet mehrere Ironman’s hintereinander. Für uns eine unvorstellbare Leistung von Körper und Geist. Norbert hat uns in unserem Gespräch sehr spannende Einblicke in das Leben und die Gedanken eines Ultratriathleten gegeben und unsere unzähligen Fragen geduldig beantwortet. Von seinem persönlichen Weg zum Ultratriathlon, über die Faszination und Besonderheiten eines Ultrabewerbes (Stimmung, Distanz, Ernährung, Betreuer,…) bis hin zum großen mentalen Aspekt in diesem Sport.
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Wie bist du zum Triathlon gekommen?
Alles begann im Jahr 2010. Ich habe rein zufällig ein paar Tage vor dem ersten Trumer Triathlon am Stammtisch erfahren, dass in meinem Heimatort Obertrum ein Triathlon stattfindet. Als damals unsportlicher und untrainierter Couchpotatoe startete ich kurzentschlossen, demnach fiel meine Premiere natürlich ins Wasser und endete im ersten und letzten DNF. Doch beim zweiten Trumer Triathlon 2011 entdeckte ich meine Liebe zum Triathlon und begann auch ernsthaft zu trainieren.
Warum hast du nach deinem ersten Ironman den Ultratriathlon für dich entdeckt?
2014 bereitete ich mich erstmalig mit strukturiertem Training auf meinen ersten Ironman in Klagenfurt vor. Einmal im Leben einen Ironman ins Ziel zu bringen war der große Traum für mich. Das war natürlich auch ein einzigartiges Erlebnis für mich. Allerdings stand ich wesentlich früher als erwartet im Ziel und vor allem noch sehr relaxt. Mit dieser Erkenntnis stellte ich mir kurz nach dem Überqueren der Ziellinie die Frage: „Was kommt nun?“ Zufällig habe ich dann erfahren, dass es 2 Monate nach dem IM Klagenfurt einen Doppel – Ironman in Slowenien gibt. Das musste ich einfach ausprobieren.
Wie hast du deinen ersten Ultratriathlon erlebt?
Ich war ja damals relativ überschaubar vorbereitet, sowohl in mentalen Belangen als auch organisatorisch. So richtig wusste ich nicht, was da auf mich zukam. Als absoluter Quereinsteiger machte ich so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann: Renneinteilung, Ernährung, Pausen, uvm. Die Distanzen wurden für mich dem Gefühl nach immer länger und man sehnt das Ziel herbei. Vor allem meine Lieblingsdisziplin, das Laufen, war sehr durchwachsen. Die Energiereserven waren nach 20 Stunden Sport schon lange aufgebraucht und an ein Lauftempo, wie ich es aus dem Training kenne, war nicht zu denken. Diese Situation muss man mental erst einmal überwinden. Sehr viele (unerfahrene) Ultrasportler zerbrechen daran. Aber mit Hilfe meiner Betreuer schaffte ich es doch, überglücklich ins Ziel zu kommen. Mit sehr vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen konnte ich somit meinen ersten Ultratriathlon erfolgreich abschließen.
War es „Liebe nach dem ersten Finish“?
Definitiv nein. Während der letzten Stunden und im Ziel dachte ich mir: „Bis hier her und keinen Meter weiter. So einen Blödsinn mache ich nie wieder.“ Jetzt, ein paar Ultratriathlons später, weiß ich, dass dieser Zustand bei solchen Projekten „normal“ ist. Für mich war es vorerst eine Art Hassliebe. Ich hatte mit dem Ultratriathlon noch eine Rechnung offen und ein paar Tage nach dem ersten Double erkundigte ich mich schon wieder über neue Veranstaltungen. Das Flair und das familiäre Umfeld im Ultratriathlon hatten mich schon sehr in den Bann gezogen. Ich fühlte, dass ich es unbedingt nochmal versuchen muss.
Was fasziniert dich am Ultratriathlon?
Das Starterfeld ist aufgrund der längeren Distanzen naturgemäß etwas überschaubarer. Ein Ultratriathlon ist jedes Mal ein großes Familientreffen von Verrückten aus der ganzen Welt. Man unterstützt sich gegenseitig und hilft, falls jemand ein Tief hat. Für Spaß und Blödeleien ist immer Zeit und es kommt auch mal vor, dass man sich während des Bewerbes auf ein Bierchen (natürlich alkoholfrei) an den Rand setzt.
Was zeichnet einen Ultratriathleten aus?
Der typische Ultratriathlet schaut weniger auf Sekunden und Minuten. Dadurch sind alle viel lockerer und entspannter. Die Schlägerei am Schwimmstart findet praktisch nicht statt. Für mich als schlechter Schwimmer eine Wohltat. Man muss auf den langen Distanzen genau einschätzen, was sein Körper in der jeweiligen Situation zulässt. Dadurch lernt man seinen Körper viel besser kennen. Sport zu betreiben und genau zu wissen, was man sich selbst zumuten kann und wann der Körper besser geschont werden soll, ist für mich das Allerwichtigste. Der Körper sendet ständig Signale au,s die man richtig deuten muss. Leider machen das viele ambitionierte Hobbysportler nicht mehr und vertrauen nur Trainingsplan, Pace, Zeit und Vorgaben. Beim Ultratriathlon muss bzw. darf man nie an die maximale Belastungsgrenze gehen. Das ist auch der Grund, warum ich nach einem Bewerb meist beschwerdelos aus dem Finisherzelt spaziere.
Neben der körperlichen Leistung spielt beim Ultratriathlon auch die mentale Stärke eine sehr große Rolle. Wie sieht hier deine Taktik aus?
Ehrlich gesagt, sehe ich den Ultratriathlon als eine ganz andere Sportart im Vergleich zu den klassischen Distanzen im Triathlon. Die körperlichen Voraussetzungen zum Bewältigen eines Triathlons sind eine Grundvoraussetzung. Aber viel entscheidender ist die mentale Stärke. Jeder kommt im Laufe eines 20, 30, 40 Stunden-Rennens irgendwann mal an den Punkt, wo man sich nichts sehnlicher wünscht, als einfach auf der Couch die Beine hochzulegen und ein Gläschen Wein zu genießen. In diesen Momenten erinnere ich mich einfach an bestimmte positive Erlebnisse, die mir Kraft und Energie geben. Das kann für jeden etwas anderes sein: ein besonderer Zieleinlauf, schöne Bergtour, Geburt eines Kindes, ein lieber Mensch, geschaffte Prüfung, usw. Es ist völlig egal, womit man sich ablenkt, wichtig ist, dass man positive Gedanken findet.
Du trainierst mittlerweile nicht mehr nach Plan, sondern nach deinem eigenen Gefühl und hörst in erster Linie auf deinen Körper. Warum ist das für dich dein Erfolgsrezept?
Zu erfahren wie man richtig nach Plan trainiert, war für mich eine sehr wichtige Erkenntnis. In den letzten Jahren gestalte ich mein Training aber nach persönlichem Befinden. Ich trainiere lieber, wenn Körper und Geist bereit dazu sind. Dann ist die Effektivität weitaus höher, als wenn man sich dazu zwingen muss.
Die Ernährung spielt im Ultratriathlon eine zentrale Rolle. Wie sieht deine Ernährungsstrategie aus?
Bei den langen Distanzen benötigt man mitunter auch mal eine richtige herzhafte Mahlzeit. Mit Gels und isotonischen Getränken würde vermutlich jeder Magen bei einem Ultra irgendwann rebellieren. Ich ersetze das mittlerweile durch Wurstsemmel und Rindssuppe.
Wie hast du herausgefunden welche Ernährung für dich die richtige ist?
Mein Training in der Vorbereitung zur Saison 2015 gestaltete ich so, um herauszufinden, was ich während und vor einer sportlichen Belastung an Nahrung verwerten kann und welche Dinge ich vermeiden sollte. Das waren zum Teil sehr witzige „Experimente“, die unter anderem auch sprichwörtlich in die Hose gingen. So lernte ich z.B., dass Nudeln, der klassische Energiegeber für Sportler, für mich während des Sports nicht geeignet sind. Mein Körper benötigt zu viel Energie um Nudeln zu verdauen und ich werde stets müde davon. Aber jeder sollte für sich selbst herausfinden, was richtig ist und nicht ausschließlich auf Empfehlungen oder Meinungen anderer vertrauen.
Im Gegensatz zu kurzen Triathlondistanzen geht man beim Ultratriathlon nie an die oberen Leistungsgrenzen. Wie kann man sich das als Laie vorstellen?
Es stellt sich immer die Frage, wie lange man sich in dem oberen Leistungsbereich bewegen kann. Ein paar Stunden beispielsweise bei einem Marathon oder Ironman sind für Athleten im trainierten Zustand meist kein Problem. Würde die Belastungsdauer einige Stunden länger anhalten, wäre der Leistungseinbruch unumgänglich. Somit ist es von besonderer Bedeutung, dass man sich beim Ultratriathlon immer Kraft- und Energiereserven behält. Der Weltrekord beim Triple–Ultratriathlon liegt beispielsweise bei 31:47 Stunden. Eine gute Wettkampfeinteilung ist hier von sehr großer Bedeutung. Ein erfahrener Ultratriathlet und Freund hat mir einmal gesagt: „Ein Ultra wird immer im letzten Marathon entschieden.“ Wer da noch Kraft und Energie hat, um das Tempo hoch zu halten, holt unwahrscheinlich viel Zeit heraus.
Welche besonders „verrückten“ Trainingseinheiten hast du absolviert?
Da gibt es einige interessante Geschichten. Eine Trainingseinheit blieb mir aber besonders in Erinnerung. Ich wollte wissen, wie lange ich ohne Energiezufuhr laufen kann. Damit simulierte ich die Wettkampfsituation, in der ich, aus welchen Gründen auch immer, keine Nahrung mehr zu mir nehmen könnte. Ich aß den ganzen Tag nichts und lief nach der Arbeit einfach los, bewaffnet nur mit etwas Wasser. Der erste Marathon war kein Problem. Nach einiger Zeit schwanden die Kräfte aber doch sehr rapide und so beschloss ich auf schnellstem Wege nach Hause zu laufen. Völlig erledigt musste ich aber feststellen, dass noch 10 km vor mir liegen… was sollte ich nun tun? Langsam gehen würde eine Ewigkeit dauern.
Somit beschloss ich, doch so lange weiter zu laufen wie es nur ging. Je schneller ich lief, desto schneller kam ich heim. Also drückte ich aufs Tempo. Kein Blick auf die Uhr, einfach nur laufen. Meter für Meter. Plötzlich vergaß ich die Strapazen des Tages und auch, dass mir Energie zum Laufen fehlte war kein Thema mehr. Nach 40 Minuten stand ich dann daheim und hätte tatsächlich noch weiterlaufen können. 4 Minuten/km ist eigentlich mein Wettkampftempo für kurze Läufe. 😉 Der Trainingseffekt für den Körper war an diesem Tag freilich sehr überschaubar. Doch für den Kopf war es das Beste, was ich machen konnte. Bei jedem Ultrabewerb komme ich mehrmals an den Punkt, wo ich denke, dass es nicht mehr weitergeht. Doch durch dieses Erlebnis weiß ich jetzt, dass 10 km im 4er Schnitt praktisch immer möglich sind. Daran erinnere ich mich stets in diesen Situationen.
Wie unterscheidet sich dein Training zum Training für kürzere Triathlondistanzen?
Im Grunde trainiere ich nicht anders als bei einer Ironman–Vorbereitung, abgesehen von der einen oder anderen zusätzlichen langen Trainingseinheit. Wenn es beim Ultratriathlon darum geht, nach 15 oder 20 Stunden immer noch weiterzumachen. In dem Wissen dass noch 1-2 Marathons vor dir liegen, entscheidet sowieso fast nur mehr der Kopf. Man muss im Kopf bereit dafür sein und auch darauf vorbereitet sein, was auf dich zukommt.
Jeder Ultratriathlet braucht beim Bewerb auch seine Betreuer. Welche Aufgaben übernehmen diese genau?
Gute Betreuer sind praktisch die halbe Miete. Sie versorgen den Athleten mit Essen und Trinken auf der Strecke und achten darauf, dass wir tatsächlich ausreichend Nahrung zu uns nehmen. Betreuer haben generell den Überblick über den Bewerb. Wo stehen wir, was brauchen wir, wie können wir weiterhin im Rennen vorgehen? Taktik und Renneinteilung passiert im Regelfall mit den Betreuern. Dazu ist es wichtig, dass sich Athleten und Betreuer gut kennen und gewisse Abläufe und Reaktionen blind abstimmen können. Aber noch viel essentieller ist die mentale Unterstützung der Betreuer. Das entscheidet oft über ein Finish oder ein DNF.
Im Jahr 2015 hast du den IUTA Gesamtweltcup gewonnen und einen neuen Weltrekord über die 5-fache Ironman Distanz aufgestellt. War das dein bisheriges sportliches Highlight?
Im Nachhinein gesehen, ja. Aber man soll sich auch über die vermeintlich kleinen Dinge freuen können. Wenn es mir in einem Wettkampf sehr schlecht geht und ich wirklich langsam unterwegs bin, ist mein persönliches Highlight unter diesen Bedingungen ins Ziel zu kommen. Rein sportlich gesehen schauen die meisten auf Zeiten und Platzierungen. Ich achte eher auf mein persönliches Befinden. Wenn dann ein Weltrekord wie in Mexiko heraus kommt, ist das natürlich eine unglaubliche Sache.
In dieser Hinsicht werte ich für mich aber den IUTA Gesamtweltcupsieg weitaus höher. Da muss man das ganze Jahr über und in mehreren Bewerben vorne dabei sein. Es wird bald jemand kommen, der meinen Weltrekord wieder unterbietet, den Gesamtweltcup 2015 werde ich nicht mehr abgeben müssen. 🙂
Gibt es einen Bewerb, an den du schon immer einmal teilnehmen wolltest?
Eigentlich habe ich bisher immer alles gemacht, was mir spontan in den Sinn gekommen ist. Aber ja, es gibt tatsächlich einen Bewerb, der dieses Jahr ohne mich stattgefunden hat. Mit sehr, sehr großen Wehmut musste ich meine Freunde via Internet mitverfolgen, wie sie in der Schweiz den 20fachen-Ironman runterspulten. Da wäre ich sehr gerne dabei gewesen. Das ist allerdings an meinen finanziellen Möglichkeiten und auch organisatorischen Schwierigkeiten gescheitert. Ich hoffe also, dass dieser Bewerb einmal eine Wiederholung findet.
Welche Lebenserfahrung hat dich besonders verändert?
Eine ganz leichte Frage für mich. Der Jakobsweg den ich 2013 gegangen bin. Es ist sehr schwer in Worte zu fassen, was sich in den 3 Monaten auf der Pilgerreise für mich verändert hat. Man findet den Blick für das Wesentliche im Leben leichter. Man hat dort einfach Zeit, über alles nachzudenken. Zeit, die in unserer Welt so wenig vorhanden ist. Wir alle leben im ständigen Stress und vergessen oft, was wirklich wichtig ist. Das Leben ist so schön und man sollte es auch genießen, so lange das möglich ist.
Wie hilft dir die Erfahrung vom Jakobsweg beim Ultratriathlon?
Im Sport hilft mir das ganz entscheidend. Ohne den Jakobsweg würde ich die Ultratriathlons in dieser Form nicht schaffen. Vor allem wenn ich nach vielen Stunden Sport erschöpft auf der Strecke bin, denke ich an die zahlreichen Energieplätze am Jakobsweg und plötzlich läuft wieder alles gut. Ich habe mir einige Schlüsselerlebnisse aus dieser Zeit abgespeichert und rufe diese Erinnerungen wieder hervor, wenn ich sie brauche. Das passiert so gut wie bei jedem Event, mehrmals.
Welchen Stellenwert hat der Sport in deiner Lebensgeschichte?
Sport möchte ich aus meinem Leben aus heutiger Sicht nicht mehr streichen. Fit und gesund zu bleiben ist das oberste Gebot. Da gehört Sport nun mal dazu. Ich war nie der Typ, der trainiert, um irgendwelche Siege oder Rekorde zu schaffen. Natürlich steigert sich der Anspruch mit der Fitness und man freut sich über Erfolge. Ein Ziel vor Augen zu haben ist sehr wichtig. Aber ich bleibe trotzdem auf dem Boden der Realität und sehe meinen Körper als das Wichtigste, das wir zum Leben haben. Mit der Gesundheit sollten wir sorgsam umgehen und darauf achten.
Fotos: Norbert Lüftenegger (privat), triyourlife.at
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