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Treppenhausmarathon WM 2017 Hannover [Gastbeitrag]

Laufen ist eine sehr beliebte Möglichkeit sich fit zu halten und etwas für die eigene Gesundheit zu tun. Mittlerweile gehört der Marathonlauf zu einem Massenphänomen und unzählige Sportler wagen sich auf die 42,195 km lange Strecke. Immer mehr Läufer suchen aber zu den klassischen flachen Stadtstrecken nach spannenderen Alternativen. Es entstehen stets neue Laufveranstaltungen. Der Reiz des Einzigartigen, Besonderen und Verrückten lässt auch mich immer wieder nach neuen Events suchen. Und so kam ich auf die Idee einen Treppenhausmarathon zu laufen.

42,195 km durchgehend Treppen hinauf und Treppen hinunter, mag für den Großteil der Bevölkerung völlig irre und etwas sinnbefreit klingen. Doch genau das steigert für mich den Reiz bei dieser Veranstaltung dabei sein zu wollen. Noch dazu weil es sich am 18.02.2017 in Annastift Hannover nicht um irgendeinen Bewerb, sondern um die 3. Treppenhausmarathon Weltmeisterschaft handelt.

Gastautor Nobert Lüftenegger ist Läufer, Triathlet und Ultratriathlon Worldcup Gewinner (mehr zu ihm auf seiner Facebook-Seite).


Die Startberechtigung

Um beim VERTICALMARATHON® startberechtigt zu sein, musste man mit der Bewerbung seine Erfahrung im Ultramarathon- und Treppenlauf vorweisen. Der Veranstalter selektierte dann aufgrund dessen die zugelassenen Starter aus. Wegen der Platzsituation im engen Treppenhaus waren nur 20 Starter zugelassen. Drei Österreichern war die Ehre zuteil bei der diesjährigen Weltmeisterschaft dabei sein zu dürfen. Neben mir waren noch Georg Kreer und Andreas Wiesinger am Start. Zwei sehr sympathische Typen und große Ausnahmesportler. Für uns hieß es 13 Stockwerke 194 mal rauf und runter zu laufen. Dabei überwanden wir 5.044 Etagen, 7.333 Meter hinauf bzw. 7.333 Meter hinunter und in Summe 83.808 Stufen.

(Foto: Liesa Flemming)

Die Veranstaltung

Bei der Ankunft im Annastift Hannover merkten wir gleich mit wieviel Herzlichkeit alle Mitwirkenden an der Veranstaltung am Werke sind. Wir fühlten uns sofort pudelwohl in der “Familie der Verrückten”. Besonders angetan war ich von der Professionalität und der Liebe zum Detail mit der dieses Event organisiert war. Der Veranstalter organisierte sogar ein Public viewing mit Großbild-Leinwand für die Zuschauer geboten. Hier konnte man durchgehend den Bewerb live im Treppenhaus verfolgen. Für uns Athleten gab es u.a. ein sehr reichhaltiges Angebot an den verschiedensten Speisen an der Verpflegungsstelle. Der Veranstalter Horst Liebetruth war stets bedacht mit Nachdruck zu betonen, dass wir Läufer immer im Mittelpunkt stehen und sollten wir etwas benötigen wurde alles umgehend organisiert.

Begeistert vom ganzen Umfeld und der besonders netten Aufnahme der Organisatoren, starteten wir voller Freude in ein Event das uns körperlich und mental alles abverlangen sollte.

Mein Start in den Treppenhausmarathon

Gleich von Beginn an war mir klar, dass ich hier in dem Kreise der Treppenläufer gelandet bin, die allesamt herausragende Sportler sind. Schließlich wird ja der neue Weltmeister gesucht. Von der Euphorie getrieben ließ auch ich mich von dem sehr hohen Tempo mitreißen. Ein Blick auf die Pulsuhr nach der ersten Ankunft im 13. Stock fuhr mir wie ein Blitz durch den Körper. Puls über 180 ist definitiv nicht die Intensität, die ich meinem Körper über einen Zeitraum von 13 – 15 Stunden zumuten darf.

Tja, was nun? So richtig erholen konnte man sich beim hinunter laufen auch nicht. Im 2 Stufen – Intervall und mit ordentlichem Tempo wurde die Treppe hinunter gefetzt. Der Griff ans Geländer bei jeder 180 Grad Wende musste auch einstudiert und automatisiert werden. Im Laufe des Bewerbes sollten es 9.700 Wenden von 180 Grad werden. Ein Danebengreifen konnten wir uns nicht erlauben. Zu groß war das Tempo und der resultierende Abflug in der Kurve würde nicht sehr angenehm enden. Deshalb immer mit vollster Konzentration jeden Tritt und Handgriff sicher zu deponieren war eine ganz spezielle Herausforderung im Treppenhaus. Zusätzlich musste Fairness gegenüber den anderen Läufer gewahrt werden um keine Kollisionen zu verursachen. Rechtslaufgebot und klare Vorrangregeln auf der Treppe verhinderten Unannehmlichkeiten unter den Läufer.

(Foto: Christian Behrens)

Meine Taktik

Die ersten Stunden benötigte ich um einen vernünftigen Rhythmus zu finden, den man über einen langen Zeitraum beibehalten konnte. Möglichst wenig Pausen zu machen ist der Schlüssel zum Erfolg bei diesen Ultrabewerben. Doch das war aufgrund der ganz speziellen Belastung auf der Treppe für mich nicht möglich. Zu hoch ist der Puls und auf der langen Dauer war mein Körper dafür nicht vorbereitet. Schlussendlich beschloss ich eine etwas ungewöhnliche Taktik beizubehalten. Erstmal einige Runden auf nahezu Volllast und mit Tempo rauf und runter fetzen, um dann immer wieder eine kurze Verweilpause an unserer Österreicher-Verpflegungsstelle im 9. Stock einzuschieben. So konnte ich zumindest zeitweise den Puls wieder in halbwegs normale Bereiche bringen.

Es entscheidet sich im Kopf

Trotzdem machte ich mir immer Gedanken, ob ich die Cutoff-Zeit von 15 Stunden schaffen würde. Vor allem als in den Abendstunden die Temperaturen sanken und die geöffneten Fenster im Treppenhaus für einen Luftzug sorgten, den ich nicht als sonderlich hilfreich empfand. Doch die Laufkollegen genossen diese Abkühlung im schon etwas frischluftarmen Treppenhaus.  Mein Kreislauf hatte zu dieser Zeit das Wärmen des Körpers bereits eingestellt. Die wenige Energie, die in meinem Köper noch vorhanden war, wurde für die Fortbewegung benötigt. Nun hieß es die mentale Kraft zu bündeln und Schritt für Schritt dem Ziel näher zu kommen. Die Distanz schien noch endlos weit entfernt. Hier weiß ich als Ultrasportler, dass man sich immer nur kurze Ziele setzen darf. Konzentration auf die aktuelle Situation war meine Devise. Ein zu weites Vorausdenken könnte dazu führen in ein mentales Loch zu fallen. Dies zu verhindern hat in solchen Situationen immer oberste Priorität.

(Foto: Christian Behrens)

Das Finish

In der 100. und in der letzten Runde konnte man im Vorfeld der Veranstaltung seinen Wunschsong bekanntgeben, der das ganze Treppenhaus beschallen sollte. Ich wählte zwei besonders emotionale Songs mit persönlichen Erinnerungen für mich. Das waren ganz spezielle Motivationsbringer und half mir auf dem steinigen Weg ins Ziel.

Mit letzter Energie rettete ich mich dann doch noch ins Ziel. Zuvor hatte ich mir eine Stunde lang mit dem Weltmeister von 2015 um den 10. Platz ein packendes Rennen geliefert und schlussendlich knapp für mich entscheiden können. In der allerletzten Runde übermannten mich die Emotionen. Die österreichische Fahne in der Hand und in Begleitung vom Veranstalter und von Georg Kreer, der sich zuvor den Vizeweltmeister-Titel sicherte, genoss ich jeden einzelnen Schritt bis ins Ziel. Noch einmal bei allen Helfern an der Strecke bedanken und den Marathon im Treppenhaus mit einem Kniefall abzuschließen.

Somit darf ich mich zum Kreise der 26 Läufer zählen, die in den letzten drei Jahren bei der Treppenhausmarathon-WM finishen konnten. Ein geniales Gefühl.

(Foto: Privat)

Mein persönliches Fazit

Einen Marathon im Treppenhaus zu laufen ist schon eine sehr verrückte Idee und sollte nur von sehr gut trainierten Sportler angegangen werden. Ich habe diesen Tag im Treppenhaus mehr oder weniger genossen und bin über diese besondere Erfahrung sehr dankbar. Vor allem das freundschaftliche Miteinander unter allen Beteiligten war, wie man es von Ultrasport-Veranstaltungen gewohnt ist, ganz besonders ausgeprägt. Es entstanden neue Freundschaften und der Tag wird mir immer in besonderer Erinnerung bleiben.

Offizielle Seite der Veranstaltung: http://vertical-marathon.de/

 

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