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Birgit Bresnik – Experteninterview zum Thema Depressionen

Depressionen sind nicht nur im Alltag gegenwärtig sondern vor allem auch im Sportbereich. In einem früheren Beitrag haben wir uns bereits damit befasst. Umso mehr freut es uns, dass Birgit Bresnik (Psychologin & Mentaltrainerin und selbst aktive Hobbytriathletin) sich unseren Interviewfragen stellt. In zwei Teilen beantwortet sie zuerst unsere Fragen zum Thema Depressionen im Allgemeinen und im zweiten Teil im Bezug auf Depressionen im Sport.

Birgit Bresnik Portrait

Ist die schnelllebige Zeit ein Nährboden für Depressionen?

In unserer heutigen schnelllebigen Zeit, in der Perfektionismus, Leistungsdruck und „das Funktionieren“ zählen, läuft man sehr schnell Gefahr,  „auszubrennen“ oder an einer Depression zu erkranken, wenn der Druck einfach zu groß wird.




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Wie würdest du eine Depression beschreiben?

Eine Depression geht über den normalen Kummer, eine vorübergehende Niedergeschlagenheit und Gereiztheit hinaus. Halten Symptome wie – gedrückte Stimmung, Freud- und Interessenslosigkeit, Hoffnungslosigkeit, sozialer Rückzug, verminderter Antrieb und Schlafstörungen – über mehrere Wochen und Monate an, kann man von einer Depression sprechen. Das kann so weit führen, dass alltägliche Dinge wie der Haushalt oder ein Treffen mit FreundInnen nicht mehr möglich ist und den Betroffenen immer mehr in soziale Isolation bringt.

Es kann die Lebensqualität einschränken und zu starken Selbstzweifeln kommen – bis hin zu möglichen Suizidgedanken.

Beim Entstehen einer Depression wirken immer mehrere Faktoren zusammen. Biologische, lebensgeschichtliche und soziale Komponenten tragen dazu bei, dass diese Krankheit entsteht. Daneben können auch kognitive Verarbeitungsmuster oder traumatische Ereignisse wie Verlust, Partnerschafts- oder Familienkonflikte, Mobbing, existenzielle Ängste, schwere Erkrankung, oder Überforderung und anhaltend übermäßiger Stress das Krankheitsbild verstärken.

Darüber hinaus spielen auch Vererbung und Persönlichkeitsmerkmale eine große Rolle. Gibt es in der Familie bereits depressive Erkrankungen, besteht ein erhöhtes Risiko als Nachkomme auch daran zu erkranken.

Besonders deppressionsgefährdet sind Menschen mit Hang zu Perfektionismus, hohem Leistungsanspruch und jene, die sich nur schwer abgrenzen können.

Oft bleibt Depression auch unerkannt, da sie oft in Form von körperlichen Beschwerden wie Rückenschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Appetitlosigkeit oder Schlafstörungen auftritt.

Depressionen Sport

Gibt es Ein- bzw. Abstufungen oder Phasen der Depression?

Depressionen verlaufen episodenhaft – die Phasen sind zeitlich begrenzt und es gibt große Unterschiede. Man unterteilt die Depression in leichte depressive Episode, mittelgradig depressive Episode und schwere depressive Episode. Zudem gibt es noch Subtypen – eine weitere Einteilung erfordert zusätzliche Symptome. Beispiel: Eine Dysthymie ist eine leichte depressive Verstimmung, die über eine längere Zeit anhält und die Diagnose für eine depressive Episode aufgrund der schwächer ausgeprägten Krankheitssymptome nicht ausreichend ist. SAD – saisonal abhängige Depression ist eine depressive Episode, die zu bestimmten Jahreszeiten auftritt – eine postpartale Depression in den ersten Wochen nach einer Geburt.

Treten depressive Phasen vereinzelt auf, spricht man von depressiven Episoden, die einmalig oder wiederholt auftreten können. Kommt es zu einer erneuten Erkrankung, wird eine rezidivierende depressive Episode diagnostiziert, unabhängig davon, ob sie innerhalb eines kurzen Zeitraumes mehrfach auftreten, oder in längeren Abständen von mehreren Jahren. Halten die Symptome mehr als 2 Jahre an, spricht man von einer chronischen Depression.

Ab wann würdest du raten psychologische Unterstützung anzunehmen?

Viele Menschen, die in meine Praxis kommen, leiden an Depressionen. Meistens suchen sie mich jedoch erst dann auf, wenn die Anforderungen des Alltags nur noch schwer zu bewältigen sind, die täglichen Routinen eine enorme Herausforderung darstellen und der Beruf kaum mehr ausgeübt werden kann.

Doch es gibt Anzeichen, die auf eine Depression hinweisen: Energielosigkeit, Reizbarkeit, Lustlosigkeit, ständige Müdigkeit, Appetit- und Schlaflosigkeit. Sollten die Betroffenen oder ihr Umfeld dies bemerken, würde ich ehestmöglich Unterstützung in Form von psychologischen Beratungen/Behandlungen aufsuchen. Denn je früher dies in Anspruch genommen wird, desto eher kann Linderung eintreten. Bei der Behandlung einer Depression ist eine Gesprächstherapie genauso wichtig wie medikamentöse Therapie und Begleitung durch Fachärzte.

Birgit Bresnik Praxis

Kann ein Betroffener selber beurteilen, ob er/sie Unterstützung braucht?

Da eine Depression sehr komplex und vielseitig sein kann, ist eine Einschätzung durch Fachkräfte sehr wichtig. Die Betroffenen scheuen sich oft bzw. sind aufgrund ihres verminderten Antriebes kaum in der Lage,  die notwendigen Schritte zu setzen, um sich Unterstützung zu suchen.

Wie soll das Umfeld am besten reagieren?

Wichtig ist es, sich über das Krankheitsbild zu informieren und zu akzeptieren, dass es sich um eine Erkrankung handelt.  Erst mit der Aufklärung über die Krankheit und deren Symptome können die Betroffenen besser verstanden werden. Sie brauchen Mitgefühl und Geduld. Bei einer leichten depressiven Episode können die Betroffenen durch Argumente und Unterstützung der Angehörigen zu einer Therapie meist gut motiviert werden. Leidet jemand an einer schweren Depression ist es wichtig, dass sich Angehörige Rat und Hilfestellungen von Experten suchen, um die weiteren Vorgehensweisen zu besprechen. Auch Angehörigengruppen werden angeboten, um eine Entlastung und einen Austausch zu ermöglichen.

Wie sieht bei dir in der Praxis eine psychologische Unterstützung aus?

Ein Beispiel aus der Praxis: Frau X kam vor 6 Monaten das erste Mal zu mir in die Praxis. Sie klagte über gedrückte Stimmung und Schlafstörungen und litt unter extremen Selbstvorwürfe, Selbstkritik und nahezu keinem Selbstvertrauen. Sie nahm kaum Sozialkontakte wahr und fühlte sich zurückgezogen zu Hause am wohlsten. Ihrer Arbeit, die sie sehr gerne ausübte, konnte sie aufgrund extremer Überforderung und Problemen mit dem Arbeitgeber nicht mehr nachgehen. Hinzu kamen Schuldgefühle und Angstzustände. Alltägliche Dinge wurden zur Qual und die Abwärtsspirale drehte sich immer schneller.

Bereits in den ersten Sitzungen wurde klar, dass Frau X unfähig war „Nein“ zu sagen und sich abzugrenzen. Ständige Kränkungen durch den Arbeitgeber wurden Normalität, die Anzahl der Arbeitsstunden immer höher. Hinzu kamen private Probleme und körperliche Beschwerden. Trotzdem hatte Sie weiterhin das Gefühl, zu wenig zu leisten, nichts wert zu sein und andauernde Fehler zu machen. Darüber hinaus seien Dinge, die ihr früher große Freude bereiteten, für sie nicht mehr von Interesse.

Für mich ist der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zum Patienten nach einer gründlichen Anamnese ein wesentlicher Faktor bei einer qualitativ wertvollen psychologischen Behandlung. 

Um die Kraft der positiven Gedanken zu demonstrieren, führten wir gemeinsam konkrete Übungen aus dem Mentaltraining durch und konnten so gezielt ihr Umdenken aktivieren.

Um Selbstbeobachtung zu schulen, schrieb Frau X in den darauffolgenden Wochen ihre Gedanken in einer Art Tagebuch nieder. Dadurch werden bisher automatisierte Gedanken hinterfragt und überprüft bzw.  neue Alternativen erarbeitet. Durch die „Klopftechnik“ bekam sie von mir ein Tool mit dem sie täglich an sich arbeiten konnte. Schnell stellten sich erste Verbesserungen auf Gedankeneben ein. Der Selbstwert stieg und der gewohnte Blickwinkel von Frau X begann sich zu verändern. Weitere regelmäßige Termine halfen dabei schnell auf Rückfälle zu reagieren. Nach ein paar Monaten stellte sich zunehmende Stabilität ein, neu gefundenes Selbstbewusstsein und Achtsamkeit steigerten die Lebensqualität. Die positive Veränderung spiegelt sich heute auch in Auftreten und Körperhaltung wider. Frau X ist heute wieder fähig sozialen Kontakt zu halten, neue Beziehungen zu Menschen aufzubauen und schaffte auch den beruflichen Wiedereinstieg.

Wie man an dieser Krankengeschichte deutlich sehen kann, führt eine Behandlung in einem frühen Stadium der Erkrankung zu einer schnellen Genesung.

Birgit Bresnik Baum

Ist jeder Mensch von Selbstzweifeln und Depressionen „heilbar“?

Depressionen lassen sich mit Hilfe von psychologischen Gesprächen und Medikamente gut behandeln und können zu einer Symptomfreiheit führen. Das Risiko für eine erneute Erkrankung ist jedoch groß. Je öfter eine depressive Episode vorliegt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit. Um eine erneute Episode zu verhindern, ist eine frühzeitige und konsequente Behandlung wichtig. Mit Achtsamkeitsübungen, das Erkennen von Stressauslösern, einer gesunden Lebensführung und regelmäßiger Bewegung können die Betroffenen sehr viel selber zu ihrer Genesung beitragen.

An den Selbstzweifeln kann in psychologischen Beratungen/Behandlungen durch eine Veränderung in den kognitiven Prozessen sehr gut gearbeitet werden. Das Ziel ist es, unpassende und fehlerhafte gedankliche Muster zu erkennen und zu korrigieren. Durch die Überprüfung mit der Realität und dem Erarbeiten von Alternativen, kann eine neue Perspektive erschaffen werden.

Welchen Stellenwert hat die Kindheit in Bezug auf die Psyche im Erwachsenenalter?

Depressionen entstehen immer durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren. Menschen die in frühen Lebensjahren immer wieder „schlechte“ Erfahrungen gemacht haben, neigen dazu, ihre Fähigkeiten zu unterschätzen und viele Dinge negativ zu sehen. Durch das Gefühl von ständigen Niederlagen und Enttäuschungen können Zukunftsperspektiven nur sehr selten als positiv erlebt werden.

Ein ängstlich-überfürsorglicher Erziehungsstil kann z.B. dazu führen, dass eine „erlernte Hilflosigkeit“ resultiert und die Betroffenen kaum Fähigkeiten besitzen, mit Stress adäquat umzugehen. Der Verlust eines Elternteils, eine problematische Eltern-Kind-Beziehung oder mangelnder Selbstwert seit der frühen Kindheit können eine erhöhte Verletzlichkeit begünstigen. Werden kritische und belastende Erlebnisse in der Kindheit nur unzureichend verarbeitet, kann durch wiederauftretende Erlebnisse eine Depression ausgelöst werden.

 




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