Depressionen sind nicht nur im Alltag gegenwärtig sondern vor allem auch im Sportbereich. In einem früheren Beitrag haben wir uns bereits damit befasst. Umso mehr freut es uns, dass Birgit Bresnik (Psychologin & Mentaltrainerin und selbst aktive Hobbytriathletin) sich unseren Interviewfragen stellt. In zwei Teilen beantwortet Birgit zuerst unsere Fragen zum Thema Depressionen im Allgemeinen und in diesem Teil im Bezug auf Depressionen im Sport.
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Woran liegt es, dass gerade Sportler an sich zweifeln und das dann zu einem depressiven Verhalten führen kann?
Selbstzweifel und Depressionen werden bei SportlerInnen kaum vermutet, da diese als Siegertypen gelten. Doch SportlerInnen sind oft Skeptiker und kaum mit einem Zustand wirklich zufrieden. Sie sind ständig mit Dingen beschäftigt, die noch besser funktionieren sollten und laufen Gefahr sich in ihren Mängeln zu verlieren. Minderwertigkeitsgefühle, Versagensängste, Erwartungsdruck und Enttäuschung sind die Folge.
Warum werden deiner Meinung nach immer wieder erfolgreiche Profisportler von Depressionen heimgesucht?
LeistungssportlerInnen sind dem Dauerstress durch Trainings- und Wettkampfbelastung, dem starken Leistungsdruck, Versagensängsten, Selbstzweifel, dem öffentlichen Interesse und Misserfolgen ausgesetzt, was zu körperlichen und psychischen Überbelastungen führen kann. Dabei hängt es sehr stark von Persönlichkeitsmerkmalen und Bewältigungsstrategien jedes Individuums ab, ob jemand erkrankt oder nicht. Stressoren werden nicht von allen SportlerInnen als gleich negativ empfunden. Es gibt Menschen, die anfälliger gegenüber Stress sind und jene, die resilient sind. Haben SportlerInnen in der Vergangenheit nicht gelernt, mit Druck und Belastung umzugehen und sich keine Strategien erarbeitet, laufen sie Gefahr, diesem nicht dauerhaft gewachsen zu sein.
Sind leistungsorientierte, ehrgeizige Menschen wie Sportler sogar besonders gefährdet?
Gefährdet sind jene SportlerInnen, die sich von Ehrgeiz regelrecht treiben lassen. Jene, die stets noch erfolgreicher sein wollen, über den Trainingsplan hinaus trainieren und dabei wenig Rücksicht auf Körper und Seele nehmen. Am meisten laufen jedoch jene in Gefahr an Depressionen zu erkranken, die Ängste vor Misserfolg haben und von negativen Emotionen und Selbstzweifeln beherrscht werden. Sie kommen ohne professionelle Hilfe kaum aus der negativen Selbstbewertungsspirale heraus.
Was sind typische Auslöser, besonders wenn du dabei an leistungsorientierte Sportler denkst?
Zu den häufigsten Auslösern bei LeistungssportlerInnen zählen neben den wettkampfbezogenen Faktoren auch unabhängige Stressoren, die über den Sport hinausgehen. Z.B. Druck, Konflikte mit TrainerInnen/Sponsoren/Medien/Familie, Kosten und Aufwand des Trainings, ständiger Ortswechsel verbunden mit langen An- und Abreisen, Versagensängste, Verletzungen, Misserfolg sowie die körperlichen und psychischen Anforderungen.
Gibt es eine psychologische Prävention für Sportler?
Es gibt viele Möglichkeiten präventiv zu arbeiten. Genuss, Entspannung und Wohlfühlen tragen zur seelischen Gesundheit bei. Regelmäßiger Ausdauersport fördert die Koordination, Ausdauer, Konzentration und die Körperwahrnehmung. Das psychische Wohlbefinden wird gesteigert, wenn man sich regelmäßig Auszeiten nimmt. Zeit für sich, um auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Es geht darum, ein Gefühl dafür zu bekommen, wo die eigenen Grenzen liegen. Das kann ein Spaziergang im Wald sein, oder auch Entspannungsübungen in Form von Meditationen. Seit kurzem biete ich bei mir in der Praxis das virtual reality coaching an, das sich auch für diese Art von Prävention sehr gut eignet. Man erlebt unterschiedliche Szenen aus seinem eigenen Trainingsalltag in einem 360 Grad Modus, um die Effekte eines Coachings mit Hilfe einer echten Visualisierung zu steigern. Für SportlerInnen ist es aber auch wichtig, mit Niederlagen und Verletzungen umgehen zu lernen und Verantwortung für sich und eigene Fehler zu übernehmen.
Warum ist das Thema im Sport immer noch ein Tabu?
Depressionen bei Sportlern sind medial gerade ein heißes Diskussionsthema. Dadurch hat diese Erkrankung zwar mehr Akzeptanz in der Öffentlichkeit gefunden, trotzdem verspüren weiterhin viele Menschen nach wie vor Scheu, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Oft geht diese Scheu einher mit Sätzen wie „ich bin doch nicht verrückt“ oder „ich habe kein Problem“. Deshalb werden auch körperliche Beschwerden in den Vordergrund gestellt, um das eigentliche Leiden nicht sichtbar zu machen. Denn diese finden vor allem in Sportlerkreisen mehr Akzeptanz. Ein „gebrochener Fuß“ ist sichtbarer, als eine psychische Erkrankung.
Für mich liegt die Ursache an dieser Scheu an der fehlenden öffentlichen Aufklärung und Information im Hinblick auf psychische Erkrankungen und deren Therapieformen. Die Vorstellung an einer psychischen Erkrankung zu leiden ist nach wie vor sehr negativ besetzt und macht vielen Menschen Angst. Doch wer sich bereits professionelle Unterstützung geholt hat, weiß, wie wichtig es ist, diese auch anzunehmen und zu nutzen. Der erste und wichtigste Schritt dafür ist die Bereitschaft. Ein/e Psycholog/in muss nicht zwangsläufig nur dann aufgesucht werden, wenn man psychisch krank ist. Auch in Lebenssituationen, in denen man sich gesund fühlt, macht es Sinn sich mentale Unterstützung zu suchen, um sich Strategien und Methoden anzueignen, auf Krisen und Probleme gut reagieren zu können.
Als Sportler ist man schnell in einem Hamsterrad gefangen. Immer schneller, besser. Was ist für dich noch ein gesunder Umgang im Hobbysport?
Ein gesunder Umgang im Hobbysport ist für mich dann gegeben, wenn Spaß und Freude am Sport die Motivation darstellen. Aber auch das Wissen über die eigene Leistungsgrenze ist sehr wichtig, um einer Überschreitung und einem übertriebenen Ehrgeiz entgegen zu wirken. Ein achtsames und systematisch aufgebautes körperliches und mentales Training führt schneller zum Erfolg, als Übertraining.
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1 Gedanke zu „Birgit Bresnik – Experteninterview zum Thema Depressionen im Sport“