Die Geschichte von Yvonne und Yannick hat nicht nur uns sehr berührt. Yvonne und Yannick sind weit mehr als Mutter und Sohn. Sie sind ein unglaublich starkes Team und haben eine einzigartige Verbindung. Darüber haben wir in unserem Beitrag bereits berichtet. Am Sonntag 25.6. war es soweit: Yvonne wollte als erste Österreicherin mit ihrem behinderten Sohn einen Triathlon absolvieren. Eine unheimliche große Herausforderung mit extrem emotionalen Momenten, über die sie uns in einem Interview erzählt hat. Mit Gänsehautgarantie. 🙂
Wie hast du die Tage rund um euren ersten Triathlon erlebt?
Schon ein paar Tage vor unserem ersten Triathlon stellte sich allmählich leichte Nervosität ein, die sich rasch steigerte. Dank den Medienberichten wussten mittlerweile viele Menschen von unserem Vorhaben, was mich in erste Linie stärkte, aber gleichzeitig auch ein wenig Druck verursachte. Ich wollte ja schließlich niemanden enttäuschen. Am Tag des Triathlons lief es bei uns zuhause etwas hektisch ab, jeder war auf seine eigene Art und Weise aufgeregt, lediglich ich selbst versuchte es so gelassen wie möglich zu sehen. Yannick nimmt jede Veränderung wahr und deshalb war es für mich umso wichtiger Ruhe auszustrahlen, um ihn nicht noch mehr unnötigen Stress aussetzen zu müssen.
Inwiefern hat euch das Wetter beeinflusst?
Anfang der Woche wurde das Wetter sehr heiß mit bis zu 37 Grad vorausgesagt, doch schon einen Tag vorher wendete sich das Blatt und man erwartete Gewitter und Regen – nicht gerade die beste Ausgangssituation für meinen ersten Triathlon. Und wenn man ein schwer behindertes Kind mit im Gepäck hat, dann wird es erst recht zu einem riesigen Problem. Leider behielt die Wettervorhersage Recht und so fing es „pünktlich“ eine halbe Stunde vor Start heftig zu regnen an. Ich muss gestehen, dass wir auf so intensiven Regen leider nicht eingestellt waren, dennoch entschieden wir, es mit Yannick zu versuchen.
Kannst du uns einen Erlebnisbericht der einzelnen Disziplinen geben?
Das Schwimmen
Der Startschuss fiel und wir begannen mit der ersten Disziplin. Um niemanden mit unserem Boot zu behindern, nahm ich mir vor als Letzte zu starten. Doch ich war schneller als gedacht und so befanden wir uns inmitten der Gruppe. Ich musste leider immer wieder zwischen Brustschwimmen und Kraulen wechseln, da mir jedes Mal eine Dame in die Quere kam. Die Strecke kam mir etwas länger als erwartet vor, aber ich kam meines Erachtens recht gut voran.
Und das obwohl mir meine Tochter nach dem Triathlon von einem blinden Passagier berichtete. 🙂 Eine Triathletin dürfte Wasser geschluckt haben und hatte sich dann gleich mal mit ans Boot angehängt. Der Ausstieg und die Übergabe von Yannick verliefen tadellos – Dank der Unterstützung meines tollen Teams. Und der Lauf zur Wechselzone mit meinem Sohn im Arm war einfach überwältigend. Mit vollstem Elan jubelten uns die zahlreichen Zuschauer zu.
Das Radfahren
Das Radfahren war bei diesem Wetter unsere größte Herausforderung. Alle Triathleten wurden mehrfach darauf aufmerksam gemacht in den Kurven abzubremsen. Anfangs fühlte es sich so an, als würde mein Rennrad gar keine Bremsen besitzen, da sich aufgrund der nassen Fahrbahn und 50kg Gepäck (Anhänger und Yannick) kaum etwas tat. Schnell musste ich mich umstellen die Kurven lieber etwas langsamer zu nehmen. Wir hatten nicht nur mit starken Regen und teilweise Hagel zu kämpfen, denn der Gegenwind ließ uns ebenso schnell auskühlen. In der ersten Runde hielt sich Yannick absolut tapfer und hatte riesigen Spaß. Er genoss es, den vorbeifahrenden Triathleten zuzuhören, die uns alle immer wieder anfeuerten.
Der größte Teil der Radstrecke lag bereits hinter uns als ich bemerkte, dass mein Sohn aus den Pedalen schlüpfte und plötzlich anfing sich zu beschweren. Ich stoppte unsere Fahrt und sah, dass sich Yannick bereits in einem epileptischen Anfall befand und am ganzen Körper zitterte. Er war komplett durchnässt und unterkühlt. Unser Begleitschutz fuhr voraus, um das Sanitäts-Team und meinen Mann über den Zustand unseres Sohnes zu informieren. In der Wechselzone machte sich dann der schlechte Zustand von Yannick erst richtig bemerkbar. Wir wechselten seine Kleidung, aber er war zu stark unterkühlt und kämpfte weiterhin mit epileptischen Anfällen. Für mich war definitiv klar, dass dies der Moment war, an dem Yannick aufhören musste. Die Gesundheit von unserem Sohn steht zu jeder Zeit an erster Stelle! Familienmitglieder kümmerten sich rührend um Yannick und so wurde ich bestärkt den Triathlon allein zu beenden.
Das Laufen
Die Laufstrecke nahm ich eigentlich nicht mehr wirklich wahr. Zu sehr war ich mit meinen Gedanken bei meinem Kind. Sorgen, Vorwürfe, Angst, Trauer, Wut und Verzweiflung begleiteten mich den Rest der Strecke.
Doch ich wollte es ins Ziel schaffen- für alle Familien, die von einem schweren Schicksal geplagt sind, für mich, aber vor allem für Yannick, weil er in diesem Moment wieder gezeigt hatte, was es heißt tagtäglich einem Kampf ausgesetzt zu sein. Er ist und bleibt mein persönlicher Held, weil er es ist, der jeden Tag Höchstleistungen bringen muss.
Was war der schönste Moment?
Am meisten berührt haben mich die Zurufe der vorbeifahrenden Triathleten. Jeder einzelne machte uns Mut nicht aufzugeben. Sie stärkten uns immer wieder und trugen mich regelrecht ins Ziel. An diesem Tag war Yannick nicht das schwer behinderte Kind, sondern ein wichtiger Bestandteil des Triathlons. Ich würde mir wünschen, dass im Alltag Menschen mit besonderen Bedürfnissen ebenso viel Respekt entgegen gebracht wird, wie wir es während des Rennens erleben durften.
Welche Rückmeldungen habt ihr bekommen?
Sehr viele Menschen sind trotz des Regens extra wegen Yannick angereist, um uns durch den Triathlon zu begleiten. An diesem Tag waren wir eine große Gemeinschaft und es macht mich unheimlich stolz, dass mein Sohn so viele zum Nachdenken anregt. Ich möchte mich an dieser Stelle vielmals dafür bedanken.
Wir bekommen auch eine Woche nach dem Triathlon noch sehr viel Rückmeldung. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass wir so viele Leute mit unserer Geschichte berühren. Es ist einfach unfassbar, welche Welle wir mit unserer Teilnahme ausgelöst haben.
Wie ist es euch nach dem Bewerb ergangen?
Leider ist es uns diesmal aufgrund der schlechten Wettersituation nicht gelungen gemeinsam durchs Ziel zu laufen. Aber für mich ist klar, dass Yannick´s Gesundheit immer im absoluten Vordergrund stehen wird. Er bestimmt das Tempo und wie weit unser Weg im Triathlon gehen wird. Nachdem meine Tochter ein Tag später zu mir meinte: „Mama, ich kann verstehen, dass es ein Schock für dich war. Aber glaubst du der Amerikaner kam mit seinem behinderten Sohn nie an seine Grenzen? Ich bin mir sicher, dass auch er mal zu kämpfen hatte. Hat er deshalb aufgegeben? Nein hat er nicht und deshalb dürft ihr auch nicht aufgeben. Denn ich glaube ganz fest an euch!“
Wie recht meine Tochter doch hat. Niemals werden wir uns unterkriegen lassen, denn niemand wird uns je aufhalten – für meinen Sohn Yannick und für alle Menschen, die in ihrem Leben einen besonders schweren Rucksack zu tragen haben.
Und so seht ihr uns vielleicht doch wieder bei dem ein oder anderen Triathlon. Ich bin eben eine ganz normale Mama, die niemals aufhören wird ALLES für ihr Kind zu geben.
Keep on fighting and make the impossible possible!
Fotos: Bildsprache.bewegt, privat