Ich bin Radfahrer, Autofahrer und Mensch. Der Frühling naht und bald wird es mich mit meinem Rennrad wieder auf die Straßen verschlagen. Ich versuche hauptsächlich auf verkehrsarmen Radstrecken zu fahren. Es bietet sich viel an und ich bin erstaunt, jedes Jahr wieder neue Strecken zu entdecken. Doch ich muss auch ehrlich sein, eine gewisse Anspannung fährt immer mit. Jedes Jahr komme ich in brenzlige Situationen mit Autofahrern. Und ich frage mich immer, warum muss das sein? Warum herrscht bei uns so viel Aggression und Rücksichtslosigkeit?
Ein prägendes Erlebnis
Es war im Sommer 2015. Das war wohl für mich das prägendste Erlebnis am Rennrad. Es war eine total gefährliche und aus vollem Bewusstsein gelenkte Situation, um mich von der Straße abzudrängen.
Ich war schon auf dem nachhause Weg. Es war ein herrlicher Tag unter der Woche mit schönem Wetter und Sonnenschein. Ideale Voraussetzungen für eine Ausfahrt nach der Arbeit. Um etwa halb acht, also im Sommer bei guten hellen Verhältnissen, passierte dann etwas Unerklärliches. Es gab schon vorher Situationen mit mangelnden Seitenabständen, ein Außenspiegel der mich fast touchierte, aber das übertraf meine Vorstellungskraft! Kurz vor einer Brücke gibt es eine Abzweigung, die auf einen Geh- und Radweg führt. Nachdem ich die Beschaffenheit dieses Weges vom Laufen kenne, wusste ich, dass dieser mit vielen kleinen Kieselsteinen versehen war und lenkte deshalb mein Rennrad nicht dorthin, sondern fuhr auf der Straße weiter.
Um diese Zeit tut sich auch nicht mehr allzu viel, denn der Berufsverkehr war vorüber und so fuhr ich auf die Brücke zu. Hinter mir hörte ich ein Auto, doch es schien nicht an mir vorbeifahren zu wollen. Nur ein wenig schneller bewegte es sich an mir vorbei, kein Gegenverkehr, aber kein Abstand zu mir. In diesem Moment war mir nicht klar was das sollte, doch wenige Augenblicke später sehr wohl. Der Lenker drängte mich bewusst gegen das Brückengeländer! Als ich erschrocken aufsah, erspähte ich nur noch die gehobene Faust in seinem Rückspiegel. Dann touchierte ich das Geländer, während der Autofahrer mit hoher Geschwindigkeit davon brauste. Ich kam mit ein paar Schürfwunden davon. Doch ich war extrem schockiert und frage mich bis heute, was treibt einen Menschen dazu, einen anderen bewusst verletzen zu wollen? Als Autolenker muss mir doch bewusst sein, dass ich damit ein Menschenleben binnen Sekunden auslöschen kann.
Der Schock und die Frage nach dem Warum bleiben
Ist es Hass gegen Radfahrer? Sind es Aggressionen? Eine Machtdemonstration? Ich werde es nicht herausfinden, aber genügend Unfälle dieser Art passieren und enden nicht so glimpflich. Auch mit Fahrerflucht und ohne den Unfallverursacher jemals zu finden. Das ist angsteinflößend und als Rennradfahrer muss man sich durchaus die Frage stellen, wie viel Risiko man auf sich nehmen will.
Unwissen vs. Hausverstand
Als Rennradfahrer habe ich gelernt, Streitsituationen nicht allzu persönlich zu nehmen, den Stinkefinger und einen mich anbellenden neben mir her fahrenden Autofahrer „nimm doch den Radweg!“, gekonnt zu ignorieren. Erklärungsversuche, dass ein Radweg für einen Rennradfahrer auf Grund seiner Beschaffenheit ungeeignet ist und ich die Straße laut Gesetz benützen darf, enden oft mit Unverständnis. Obwohl dies klar in der Straßenverkehrsordnung deklariert ist, aber trotzdem Unwissen vorherrscht. Natürlich würde auch einfach der Hausverstand reichen, auf andere Straßenteilnehmer Rücksicht zu nehmen, denn Radfahrer sind auch Menschen die ihr Hobby ausleben möchten.
Fakt ist laut StVO:
- Bei Trainingsfahrten mit Rennfahrrädern muss die Radfahranlage nicht benutzt werden.
- Rennradfahrer dürfen im Zuge von Trainingsfahrten nebeneinander fahren, sofern der rechte Fahrstreifen nicht überschritten wird.
Die gefährlichen von Autofahrern verursachten Situation, aber auch diverse Unfälle von Kollegen und Freunden haben mich in den letzten Jahren als Radfahrer und Mensch durchaus verändert. Ich meide mit dem Rad mittlerweile alle stark befahrenen Straßen, vor allem im Berufsverkehr und suche mir Routen auf kleinsten Nebenstraßen. Zu viel ist schon passiert und ein mulmiges Gefühl bleibt. Noch dazu wo der Verkehr immer mehr zunimmt. Auf Straßen wo man vor ein paar Jahren noch gut fahren konnte, rollen mittlerweile riesige Blechlawinen und machen das Radfahren dort zu einem gefährlichen Unterfangen.
Respektvoller Umgang miteinander
Ich spreche hier hauptsächlich aus meiner Sicht als Rennradfahrer, obwohl ich auch sehr viel mit dem Auto unterwegs bin und deshalb beide Sichtweisen kenne. Ich bin schon oft hinter Rennradfahrer und Rennradgruppen hinterher gefahren. Manchmal beobachtete ich dabei riskante Manöver, von vor mir fahrenden Autolenkern, die bei Gegenverkehr und mangelnden Seitenabstand einen Rennradfahrer überholten. In diesen Momenten bleibt mir kurz die Luft weg. Die paar Sekunden und selbst wenn es eine oder zwei Minuten sind: haben wir heute keine Zeit oder Geduld mehr auf andere Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen? Natürlich legen nicht alle Autolenker ein rücksichtsloses Verhalten an den Tag. Durch unsere Radurlaube haben wir gelernt, dass es in anderen Ländern durchaus ein respektvolles Miteinander von Autofahrern und Radfahrern geben kann.
Mein persönliches Fazit
Ich bin der Meinung, dass der verständnisvolle Umgang miteinander unseren Charakter als Menschen ausmachen sollte, nicht beschränkt auf „den Autofahrer“ oder „den Radfahrer“. Jeder Mensch der ein Auto lenkt, ist wahrscheinlich schon mal auf einem Rad gesessen und umgekehrt. Deshalb appelliere ich an Vernunft und Menschlichkeit allen Verkehrsteilnehmern gegenüber. Ein Menschenleben ist das kostbarste Gut, das uns nur einmal gegeben wurde.
Hallo
Genau so wie oben beschrieben erlebe ich es auf der Strasse auch.
Ich bin ratlos,mittlerweile erlebt man als Rennradfahrer auch auf Nebenstrassen solche Situationen.
Es ist in letzter Zeit auch schon sehr viel Schreckliches passiert.
Eine Lösung des Problems sehe ich leider nicht wirklich,an die Vernunft der Autofahrer zu apellieren greift bei einigen Wenigen halt nicht.
Mit freundlichen Grüßen Fred